Zu Gast in der Meisterwerkstatt
Bei Akkordeonreparateur Peter Richter
Es kommt häufig vor, dass Leute auf dem Speicher oder im Keller unerwartet ihr altes Musikinstrument finden. Dann bleibt es oft nicht aus, dass alte Kindheitserinnerungen wach werden. Ein wenig traurig gestimmt ist mancher dann schon, angesichts der Spuren, die die Zeit daran zurückgelassen hat. Das gute alte Stück, wenn schon nicht mehr zum Spielen, dann doch wenigstens es zu erhalten, ist nun oft der sehnlichste Wunsch.
Handelt es sich bei dem Instrument um ein Akkordeon, ist der Besitzer gut beraten, den Weg nach Klingenthal anzutreten. Hier hat sich unter anderem Peter Richter mit seiner Akkordeonwerkstatt einen Namen gemacht. Den gebürtigen Dresdner führte es nicht von ungefähr in unsere Musikstadt. Auch seine Wurzeln reichen bis in unsere Berge zurück.
Hermann (Harry) Richter besuchte die Musikschule in Graslitz. Das Cellospiel erlernte er als Hauptfach. Hermann war der achte und jüngste Spross der Richter-Familie aus Chomotau, die später in die unmittelbar an Klingenthal grenzende Gemeinde Markhausen umsiedelte. Er wurde Musiklehrer und leitete eine Schüler- und eine Tanzkapelle. Das alles war noch zu einer Zeit, als es in den vielen Tanzsälen noch die Tourentänze gab. Wer sich mit einer Partnerin also aufs Parkett wagte, warf etwas Geld in den von der Kapelle aufgestellten Hut. Wer sitzenblieb, zahlte nichts. – Diesen Hermann Richter verschlug es nach Dresden, als er aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Dort arbeitete er als Lagerist im Transformator- und Röntgenwerk und wurde bald wieder musikalisch tätig. Er gründete ein gemischtes Volksmusikorchester in diesem Betrieb.
1956 wurde dann Peter Richter in diese musisch veranlagte Familie hineingeboren. Beim Vater erlernte er das Akkordeonspiel, eine Musikschule hat er nie besucht. Sein Berufswunsch stand aber bald fest: Er wollte Musikinstrumente bauen. In Dresden fand sich allerdings zu dieser Berufsausbildung keine Möglichkeit. So kam er 1972 nach Klingenthal und absolvierte die Lehre zum „Mechaniker für Musikinstrumente“ in der Fachrichtung „Tonzungen“. Danach war er zunächst als Reinstimmer im Klingenthaler Harmonikawerk, später dann im Bereich Kundendienst tätig.
1992 wagte Peter Richter den Schritt in die Selbständigkeit und arbeitete unter schwierigen Bedingungen im ehemaligen Waschhaus seines Wohnhauses am Mühlbachweg – zunächst ohne Telefon und mit Schreibmaschine geschriebenen Briefen und Werbeblättern. Obwohl Peter Richter den Meistertitel der Industrie 1982 bereits erworben hatte, absolvierte er 1995 noch die Prüfung zum Handwerksmeister. Im Herbst desselben Jahres verbesserte sich die Situation zusätzlich mit dem Erwerb des alten „Möckelhäusels“ im Mühlbachweg 10. Die Auftragslage wurde stabiler und sogar ein Altgeselle konnte eingestellt werden.
Heute hat Peter Richter einen Kundenkreis aus der ganzen Bundesrepublik – darunter sind sowohl Privatleute als auch Musikschulen. Ebenso im benachbarten Ausland, zum Beispiel in Österreich und in Holland, weiß man die Fertigkeiten des Handwerksmeisters zu schätzen. Am weitesten ist wohl ein Kanadier gereist, um die fachliche Hilfe von Peter Richter in Anspruch zu nehmen. Einer der bekanntesten Namen aus seiner Kundenliste war sicherlich Herbert Roth.
Neben dem anfänglich bereits erwähnten Restaurieren alter Instrumente, vorwiegend aus den 20er und 30er Jahren, zu mehr oder weniger wertvollen Kindheitserinnerungen, wollen auch viele die Instrumente wieder spielen. Besonders freut man sich im „Möckelhäusel“, wenn Markennamen der heimischen Industrie, wie „Meinel & Herold“ oder „Hess“ auf den Akkordeons stehen. Harmonikas, Bandoneons, Konzertinas oder Akkordeons sind in der Meisterwerkstatt in guten Händen. Dabei wird jeder Auftrag ausgeführt, es kann allerdings passieren, dass es etwas länger dauert, schmunzelt Peter Richter auf dem Weg in das Verkaufszimmer im Obergeschoß. Dort warten die verschiedensten Akkordeons auf Interessenten. Peter Richter läßt sich meist nicht lange bitten, und gibt sein Können auf den Instrumenten zum Besten. Dabei ist er besonders stolz auf das MIDI-Akkordeon mit Anlage. Bei seinen Auftritten mit der zum Musette-Instrument umgebauten „Weltmeister – Supita“ steht trotz aller technischen Möglichkeiten die vertraute Akkordeon-Klangfarbe im Vordergrund.
Eine neue Herausforderung für Peter Richter, der vielen auch als Mitglied und Solist des Klingenthaler Akkordeonorchesters bekannt ist. Darüber hinaus sammelt er alles mögliche rund um das Akkordeon, Fachliteratur, Noten, Kataloge und Prospekte von heute und damals. Wenn also auch Sie ganz zufällig mal „e alte Quetschkommod“ finden sollten, so wird man sie in der Meisterwerkstatt von Peter Richter sicherlich liebevoll wieder herrichten.
© Th. Lenk, Kulturbote 11 (1998)