Rede zur Eröffnung der Alten Schule
Alte Schule in den 1990er Jahren vor der Restaurierung
© Thomas Lenk

Rede zur Eröffnung der Alten Schule

Einen Blick in die Vergangenheit gewährte die Rede des Bürger­mei­sters Dr. Günter Kunzmann zur Einweihung der Gast­stätte »Zur Alten Schule« am 3. Oktober 1998:

Noch nie bin ich so gern in die Schule gegangen wie heute in diese Schule hier; und es ist leicht möglich, daß ich dabei nicht der einzige bin. Vor 350 Jahren allerdings hätte ich an dieser Stelle als Schulbub nicht so leichtfertig daherreden können. Der Kantor hätte mir womöglich den Rohrstock gezeigt.

Die älteste Kunde vom Schulwesen in Klingenthal geht auf ein Gesuch böhmischer Exulanten an den Landjägermeister und Schösser zu Voigtsberg, Hans Georg von Carlowitz, im Jahr 1630 zurück. Damals waren viele Protestanten aus Böhmen geflohen und fanden zunächst in Klingenthal eine Unterkunft. Sie bewarben sich um Siedlungsland an der Zwota und um Befreiung von den Kommunalabgaben, die sie in Klingenthal zu entrichten hatten. Der Schösser schrieb an die sächsische Staatsregierung : »Auf Suppliciren der itzo in Klingenthal sich aufhaltenden Exulanten, … die … wegen der begehrten Befreiungk … des Kirchenbaues, Pfarrer und Schuldiener halber … unterthehnigst Ansuchung thun. … Auch wegen weniger Tranksteuer …«
Die Exulanten erhielten Siedlungsrecht in Unterzwota, mußten aber die Kommunalabgaben nun an den neuen Lehnsherrn von Carlowitz entrichten, der mit Urkunde vom 18. September 1631 mit diesem Gebiet belehnt wurde.
Mit Datum 27. August 1631 schrieb der Kurfürst Johann Georg an die Klingenthaler Exulanten: »Liebe Getreuen! Uns ist Euer Bericht von unsern Jägermeister Hans Georg von Carlowitz … unterthänigst vorgetragen worden. Also begehren wir, … unsern Jägermeister die 30 Lehen und die übrigen denen Exulanten in Klingenthal zuschreiben und dergestalt einräumen [zu] lassen, daß sie von jedem Lehen 1 F. zum Erbzins entrichten sollen. …«

Der erste Pfarrer, Salomon Barth, der 1635 nach der Trennung Klingenthals vom Schönecker Kirchspiel eingesetzt wurde, war zugleich Hammerpräzeptor und Kinderlehrer der Boxberger. Ihm folgte 1666 als Pfarrer sein Sohn Friedrich Barth, der schon einen Kantor und Schulmeister zur Seite hatte.
Unter dem Einfluß der Exulanten wurde schon bald nach der Selbständigkeit der Kirchgemeinde auch die von Schöneck unabhängige Schulstelle eingerichtet, die anfangs noch mit dem Amt des Hammerpräzeptors gekoppelt war; denn die Klingenthaler mußten noch 1636 an den Schönecker Schullehrer eine Entschädigung für die entfallenen Kindsunterweisungen bezahlen.
In dieser Zeit entstand dieses Gebäude [die »Alte Schule«], in dem wir uns jetzt befinden. Genauere Kenntnis besitzen wir leider nicht, weil beim Brand der Pfarre 1780 das älteste Kirchenbuch und das gesamte Pfarrarchiv verloren gingen.
Der Gutsherr war damals Kirchen- und Schulpatron und konnte die Stelle des Kantors, wie man den Schulmeister nannte, besetzen, mußte sie aber auch bezahlen. Er erhob daher seinerseits Pfarr- und Schulgeld von seinen Pächtern, wie in Klingenthaler Lehnsbriefen von 1647 erwähnt ist. 1670 schreibt Benigna Regina von Boxberg: »Das Kirchenlehen belangend muß ich Pfarrer und Schulmeister aus meinem eigenen Säckel besolden und ihnen noch dazu ihr notdürftiges Holz in meinem Wald schlagen und vor die Tür fahren lassen.« Für ihre eigenen Kinder hatte sie aber auch Hauslehrer, die zugleich als Schreiber und Rechnungsführer in ihrer Verwaltung tätig waren.
Der älteste uns namentlich bekannte Schulmeister nach dem Pfarrer Barth ist Kantor Georg Wurlitzer, der vermutlich ab 1666 die Stelle inne hatte und bis 1695 im Amt war.
Ihm folgten: Matthäus Stelzner aus Oelsnitz 1695–1714; Johann Friedrich Stelzner aus Oelsnitz 1714–1750; Johann Friedrich Graupner aus Schönau 1750– 1767; Christian August Junius aus Schneeberg 1767–1816; Johann Gottfried Schmidt aus Untertriebel 1816–1833; Christian Friedrich Weber aus Oelsnitz 1834–1879
1830 wurde eine zweite Lehrerstelle als Mädchenlehrer eingerichtet und diese dem Organistenamt zugeordnet. Der erste Organist, der zugleich das Amt des Mädchenlehrers versah, war Christian Friedrich Ferdinand Roßbach aus Plauen.

Bis 1839 diente dieses Gebäude hier als Schule. Darin wurden aber nur die Knaben unterrichtet. Für die Mädchenklasse wurde ab 1830 ein Raum gemietet.
Schon ab 1836 machte die Ortsgemeinde jeden Grundeigentümer abgabepflichtig, um die Errichtung einer neuen Schule zu ermöglichen. Auch die Lehrer mußten 10 Jahre lang einen jährlichen Beitrag geben. Die neue Schule westlich der Kirche, das heutige Kantorat, wurde 1838 begonnen und am 4. September 1839 geweiht. Das war das Klingenthaler Kirchschullehen, später die alte Musikschule und schließlich das Kantorat, nachdem dieses aus dem hier an der Schulgasse gegenüberliegenden Haus ausgezogen war.
1863 wuchs die Zahl der Klassen auf 6 und die der Lehrer auf 3 an, so daß neben der neuen Schule ein weiteres Schulgebäude errichtet wurde, das später bis zum Bau des Rathauses als Gemeindeamt diente.
Das schnelle Anwachsen der Schülerzahl machten bald den Neubau einer größeren Schule erforderlich: Der Mittelbau des heutigen Gymnasiums wurde am 13. 10. 1878 von Bezirksschulinspektor Perthen eingeweiht. 1890 wurde der Nordflügel und 1903 der Südflügel angebaut, 1915 erfolgte der Anbau der Turnhalle.
Nachdem in diesem Gebäude, in dem wir uns jetzt befinden, der Schülerlärm verklungen war, wurde es sehr ruhig darin. Das Bauwerk hielt 150 Jahre geduldig dem Verfall stand, obgleich niemand etwas für die Erhaltung tat. In den letzten 6 bis 7 Jahrzehnten diente es als Werkstatt und stand dann ganz ungenutzt herum. Schon zu DDR-Zeiten unter Denkmalschutz gestellt, fristete es ein trauriges Dasein, auch als es nach der Wende durch Kauf in den Besitz der Stadt kam.

Mir erzählten die Fachleute, daß eine Instandsetzung und Nutzung rein unmöglich sei. Ich wollte das nicht glauben und gewann den Weimaraner Architekturprofessor Dr. Wirth, den ich aus meiner Rudolstädter Zeit als denkmalinteressierten Mann kannte, mit einer Studentengruppe eine Bestandsaufnahme des Gebäudes vorzunehmen, was er auch tat. Wir kamen auf diese Weise nicht nur zu einer gewaltigen Menge Sorte-1-Zigaretten aus dem ersten Jahr nach dem Krieg, mit denen der alte Liberat offenbar geschoben hat, sondern auch zu einer verwertbaren Dokumentation.

Die Glücksstunde für die Alte Schule schlug, als sich der Baumeister Andreas Günnel in sie verliebte und leidenschaftlich für sie zu kämpfen begann. Er verpflichtete Herrn Kolbe als Architekten und setzte mit Unterstützung der Stadtverwaltung und der Kommunalentwicklung Sachsen GmbH, hier muß vor allem Frau Grimm genannt werden, alle Hebel in Bewegung, um Fördermittel für die Restaurierung aufzureißen. Beim Regierungspräsidium rannten wir offene Türen ein; denn Herr Münke, der Abteilungsleiter Bau und Wohnungswesen, und Herr Meyer, der Referatsleiter Denkmalschutz, sind schon länger Fans der Alten Schule in Klingenthal, und auch Herrn Lein, der uns seit Jahren in der Sanierung begleitet, war sie bestens bekannt. Es ging nur darum, gemeinsam mit der Staatsregierung eine Strategie zu entwickeln, die erfolgversprechend sein würde. Schließlich kann auch alles Interesse und Wohlwollen bestehende Verordnungen nicht beseitigen. Dank der offensiven Mitwirkung des Gebietsreferenten des Denkmalamtes, Herrn Dr. Nietzsche, ist dies auch gelungen, wie man hier sieht.

Auch von meiner Seite soll allen Bauleuten und Handwerkern, die hier tätig waren, ein herzliches Dankeschön zugerufen werden. Sie und Herr Günnel als Bauherr haben mit dieser Restaurierung und Verwertung des vermutlich ältesten Hauses in Klingenthal eine denkmalpflegerische und kulturelle Leistung vollbracht, die nicht hoch genug bewertet werden kann. Zu loben ist auch der Unternehmergeist des Betreibers Thorsten Voigt und seiner Truppe von der Schönen Aussicht, durch deren Engagement Leben in diese Räume einziehen soll.
Der Bundespräsident hat bei der Übergabe des Daimlerzentrums am Potsdamer Platz sinngemäß gesagt: »Eine Einrichtung ist genau wie eine Stadt nur zu einem Drittel Bauwerk; zwei Drittel davon machen die Menschen aus.« So ist es auch hier. (…)

Dr. Günther Kunzmann

Aschberger Land 12 (1998) > Geschichte
 

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ISSN 1437-336X
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