Klingenthal als Maßstab
Jeanette Dyremose
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Klingenthal als Maßstab

Seit 23 Jahren bin ich Jurymitglied beim Internationalen Akkordeonwettbewerb Klin­­­­genthal. Häufig kam ich auch mit Teil­nehmern und drei Mal gaben wir Konzerte mit Det Danske Harmonika En­semble. Darüber hinaus hielt ich auch ei­nige Fachvorträge.
Den Internationalen Akkordeonwett­be­­werb Klingenthal habe ich immer als den wichtigsten Wettbewerb der Akkor­deon­mu­­sik der Welt gesehen. Unter anderem auch deshalb, weil der Klingenthaler Wett­bewerb in Kategorien unterteilt ist, beginnend mit Kindern bis hin zu professionellen Musikern.
Im Jahr 1977 kam ich das erste Mal nach Klingenthal und war vom Niveau der Wettbewerbe beeindruckt. In den folgenden Jahren nahm ich den Internatio­nalen Akkordeonwettbewerb Klingenthal im­mer als Maßstab für die weltweite Ent­wicklung der Akkordeonmusik. In den letzten Jahren gelangte ich zu der Ansicht, daß einige Änderungen den Klingentha­ler Wettbewerb bereichern könnten.
In den Kategorien für Kinder und Ju­gend­liche sollte man wie jetzt auch weiterhin Akkordeonfachleute in den Jurys einsetzen. In der Kategorie IV (Erwachsene, die Red.) ist es meiner Meinung nach an der Zeit, auch andere Musikexperten zu­zu­lassen. Bei­spiels­weise könnte eine Jury aus folgenden Personen bestehen: ein symphonischer Dirigent, ein Mitarbeiter der Deu­tschen Grammophon, einen Ver­treter einer internationalen Konzertagen­tur und ein professioneller Solist oder her­aus­­ra­gender Musiker. Denn, wollen wir er­reichen, einen Akkordeonsolisten in die Rei­hen der international  anerkannten und auftretenden Musiker zu bringen, dann brauchen wir genau diese Leute, um die besten Musiker auszuwählen. Solange nur Akkordeonfachleute die Jury stellen, be­steht immer der Verdacht, daß sich persönliche Interessen einflechten und so das Endergebnis verfälschen.
Desweiteren sollten die Kategorien Vb und VI (Gemischte Ensembles und Virtu­ose Unterhaltungsmusik) für die Nutzung von Midi-Geräten geöffnet werden. Diese haben sich heute im Unterhaltungsgenre etabliert und würden die genannten Kate­gorien wesentlich bereichern und zudem den Unterhal­tungs­wert steigern.
Zu guter Letzt finde ich, daß das Orga­nisationskommitee eine „organisierte“ Ab­­­schlußfeier veranstalten sollte, auf der Teilnehmer, Juroren und Organisatoren in einer entspannten Atmosphäre zusammensitzen, sich unterhalten oder zu Mu­sik in angenehmer Lautstärke tanzen können.

Jeanette Dyremose

Aschberger Land 17 (1999)

 

Wettbewerbe in hohem Ansehen

Owen Murray, Professor der Royal Academy of Music London über den Internationalen Akkordeonwettbewerb Klingenthal

»Der Solistenausscheid in Klingenthal ist der künstlerisch bedeutendste Leistungsvergleich, den es gegenwärtig auf dem Gebiet der Akkordeonmusik gibt.« Diesen Standpunkt vertrat Professor Lech Puchnowski (Polen) bereits im Jahre 1973. Er ist schon seit 1963 Mitglied der internationalen Jury des Klingenthaler Wettbewerbs und war auch diesmal wieder hier zu Gast. Daß sich an der hohen Meinung, die die Fachwelt unserem Internationalen Ausscheid zuteil werden läßt, über die Jahre nichts zum Nachteil geändert hat, beweist zum einen der heuer gegründete Freundeskreis des Wettbewerbs, aber auch der im Folgenden abgedruckte Brief von Professor Owen Murray. Er ist Lehrstuhlleiter an der Königlichen Musikakademie London und war 1998 Jurymitglied und erstmals in Klingenthal dabei. Auch er trat dem auf Anregung von Prof. Elsbeth Moser (Schweiz) hin gegründeten Freundeskreis bei, dem die Juroren des diesjährigen Wettbewerbs aus dreizehn Ländern angehören. Besonders aufgrund der von den Veranstaltern betonten finanziellen Bedenken wurde der Kreis während der Juryabschlußberatung gebildet.

Liebe Freunde!
Mein Besuch in Klingenthal war eines der eindrucksvollsten Ereignisse in meinem Leben. Hier bei Ihnen auf diesem Festival herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, die die Studenten und Lehrer aus vielen Ländern zur Zusammenarbeit und zur Anerkennung der individuellen Fähigkeiten des anderen inspiriert.
Die Gespräche, der Gedankenaustausch, das Gewinnen neuer Freunde, die Workshops und natürlich die Wettbewerbe selbst, sie alle sind lebensnotwendig für die kontinuierliche Entwicklung des Akkordeons und seiner Musik.
Diese Veranstaltung hat mir gezeigt, daß ein Wettbewerb stattfinden kann, ohne daß man sich gegenseitig bekämpft, wie das in verwerflicher Weise auf vielen anderen Musikwettbewerben in der Welt geschieht.
Klingenthal ist ein Fest der jungen Akkordeonisten und ihres musikalischen Talentes – ein Platz, an den Menschen kommen, um ein Musikfest zu feiern, um mit all ihrem Können die Menschheit zu erfreuen.
Das Organisationskomitee und alle Einwohner Klingenthals können sich glücklich schätzen, daß sie den Akkordeonisten der ganzen Welt dieses ganz besondere Erlebnis bescheren.
Ich sehe dem nächsten Jahr schon jetzt mit großen Erwartungen entgegen.

Mit besten Wünschen
Prof. Owen Murray

Royal Academy of Music London

Kulturbote 10 (1998) > Akkordeonwetbewerb
 
Audio 1986: Tatjana Marx
Tatjana Mark im Preisträgerkonzert
Screenshot

Audio 1986: Tatjana Marx

Klingenthal, 1986. Tatjana Lukic-Marx live beim Internationalen Akkordeonwettbewerb Klingenthal 1986, sie belegte Platz 3 in der Kategorie Solisten Erwachsene.

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Der Internationale Akkordeonwettbewerb

Klingenthal blieb weitestgehend vom Zweiten Weltkrieg verschont und hatte nur wenig Zerstörungen zu beklagen. Dennoch waren erbauende Erlebnisse im Ort ziemlich rar. Die Sehnsucht der Menschen nach Zerstreuung, Musik und Unterhaltung als Abwechslung zum harten Alltag war groß. Der damalige Bürgermeister Ernst Meinel und der aus Schlesien mit einem Vertriebenentransport nach Klingenthal gekommene Musiklehrer Erwin Kabus wollten die Orchestertätigkeit der Stadt wiederbeleben, das seit 1866 – dem Gründungsjahr des „Bezirksorchesters Klingenthal“ (heute das Stadtorchester Klingenthal) – Tradition hatte.
Die ersten gemeinsamen Proben wurden, nach einem Aufruf, durchgeführt und am 30. April 1946 hatte das Orchester unter der Leitung von Ernst Ubel seinen ersten öffentlichen Auftritt. Anlässlich des achtzigjährigen Jubiläums des „Bezirksorchesters Klingenthal“ initiierten die Mitglieder im Herbst des Jahres mit großem Elan ein Musikfest. Zu den Organisatoren zählten unter anderem Erwin Kabus, Otto Eichelberger, Oskar Feigl und Gotthard Weidlich. Diese ersten Musiktage wurden ein Riesenerfolg, die Plätze aller Veranstaltungen waren im Nu restlos ausverkauft und das kulturhungrige Publikum kam auf seine Kosten. Im Gambrinus fanden ein Sinfoniekonzert, ein Opern- und Operettenkonzert sowie eine große Tanzschau statt. Die Leitung dieser Veranstaltungen hatte Ernst Ubel inne. Er gehörte auch zu den Mitwirkenden einer kammermusikalischen Feierstunde in der Klingenthaler Filmschau. Selbst in den Betrieben des Ortes wurde Musik gemacht. So zählten in den vierziger Jahren sogenannte Werkspausenkonzerte in den Betrieben zum Bestandteil der Musiktage.

1948 wurde erstmals ein „Akkordion Wettstreit“ in das vom 23. bis 31. Oktober dauernde vielschichtige Programm der Musiktage in Klingenthal aufgenommen. Die Veranstalter entschlossen sich, jährlich zum Akkordeonwettstreit einzuladen, da der musikalische Vergleich in der damaligen „Sowjetischen Besatzungszone“ großen Anklang gefunden hatte. Auch im darauffolgenden Jahr wurde wegen des großen Erfolges wieder eine Reihe Veranstaltungen durchgeführt und die Geschichte der Musiktage nahm ihren Lauf bis heute als der jährliche kulturelle Höhepunkt in der Stadt Klingenthal.
1949 wurden die Musiktage vom 29. Oktober bis zum 6. November durchgeführt. In diesem Rahmen fand am Mittwoch, dem 2. November, im Gambrinus auch wieder der „Akkordion-Wettstreit“ statt, „für Akkordeon-Solisten und Akkordeon-Duos von 9.00–12.00 Uhr und 15.00–17.00 Uhr Vorentscheid“ und ab halb acht abends der „Hauptentscheid – anschließend Verteilung der Preise – Der Hauptentscheid wird umrahmt von Darbietungen des Akkordeon-Orchesters Brunndöbra/Leitung: Ernst Uebel“. Teilnehmer waren damals unter anderem in der Klasse A der Laienspieler Helmut Scherbaum und Herbert Gerbeth, der den ersten Platz errang. In der Klasse B der Berufsspieler siegte Alfred Wolf und bei den Duos Alfons Nietzsche mit Werner Herold. Diesen Erfolg konnten die beiden im darauffolgenden Jahr wiederholen.
Die Musiktage, insbesondere die Akkordeonwettstreite, sollten auch das wirtschaftliche Leben des Ortes beleben. Die Gewerbetreibenden, insbesondere aus der Musikinstrumentenbranche unterstützten die Musikfreunde tatkräftig. So erhielten die besten Spieler als Preise Akkordeons aus Klingenthal. Sie sollten den Namen der Erzeugnisse hinaustragen. Die geschickte Verbindung von Kultur und dem heimischen Musikinstrument trug ihren Teil dazu bei, die Produktionspalette Klingenthaler Akkordeonhersteller weiter bekannt zu machen.

Im Jahre 1963 nahmen erstmals Akkordeonsolisten aus anderen Ländern teil. Es waren zunächst genau fünf, und sie kamen aus Bulgarien, Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei. Auch die Wettbewerbsjury trug von nun an mit dem Ungarn Denes Lukacz und Milan Blaha aus der damaligen Tschechoslowakei internationalen Charakter. 1968 konnten die Klingenthaler Veranstalter schon 30 Teilnehmer aus acht Nationen begrüßen; 1970 waren es bereits Vertreter aus zwölf Ländern. Über viele Jahre dominierten die leistungsstarken Solisten aus der damaligen UdSSR. Später wehten auch die Nationalflaggen westlicher Staaten am Austragungsort, dem „Alten Schloß“, und somit brachten die Musiktage jedes Frühjahr für einige Tage internationales Flair in die kleine Grenzstadt. Der jetzt internationale Akkordeonwettbewerb geriet immer mehr zum namhaften fachlichen Treffen der Akkordeon-Weltelite und errang sich Jahr für Jahr wachsende Beachtung.
1988 wurden die Preise der vier Kategorien sowohl in die Sowjetunion als auch nach Frankreich, Norwegen und in die Vereinigten Staaten mit nach Hause genommen.
1997, zum 34. Internationalen Akkordeonwettbewerb, hatten sich 255 Spieler angemeldet. Sie kamen aus 20 Nationen. Insgesamt lagen Preisgelder im Wert von knapp vierzigtausend Mark bereit. Davon war der Sieg in der Kategorie IV, der Solisten ohne Altersbegrenzung, mit 7000,– DM Preisgeld am höchsten dotiert. Als Austragungsorte dienten 1997 wie im letzten Jahr der Gliersaal, die Sparkasse, die Aula am Amtsberg und der Rathaussaal. Das Preisträgerkonzert fand am 8. Mai in der Aula der Schule am Amtsberg statt.

Die Darbietungen der Akkordeonsolisten zum Wettbewerb wurden in den vergangenen Jahren zunehmend schwieriger, moderne Kompositionen speziell für Akkordeon wurden gespielt und forderten ein hohes Maß an musikalischem Verständnis vom Zuhörer. Aber der enorme akademische Grad des Wettstreits ist Grundlage für seinen internationalen hohen Stellenwert in der Fachwelt. Seit 1993 wird mit der Kategorie VI, die den Vortrag von „Virtuoser Unterhaltungsmusik“ beinhaltet, exzellentes Akkordeonspiel auch für das breite Publikum geboten wird. Die Solisten haben die Wahl zwischen Musette, Tango oder Polka, folkloristischer Musik, zeitgenössischer Unterhaltungsmusik, Jazz in Standards, Eigenkompositionen oder Bearbeitungen oder aber „klassischer“ Unterhaltungsmusik im Original oder in bearbeiteter Fassung. Bei diesem breitgefächerten Angebot werden die Spieler jedoch angehalten, die Auswahl der Stücke in Hinblick an die Anforderungen an virtuoses Spiel auszusuchen, wie der Name der Kategorie bereits andeutet. Auch die Akkordeonduos und gemischten Duos erweitern das Wettbewerbsprogramm. 2006 kam mit der Kategorie Bandoneon der Tango in die Musikstadt am Aschberg. Es lohnt sich also auch, in den Wettbewerb selbst einmal hineinzuhören. Das Publikumsinteresse am Wettbewerb war Anfangs so groß, dass Karl Lipsius, Preisträger 1951, wegen des überfüllten Saales im Gambrinus, kaum zur Bühne durchkam.

War einst der Wettstreit der Akkordeonspieler in die Musiktage eingebettet, so hießen diese ab 1957 dann selbst „Tage der Harmonika“ und schaarten stets eine ganze Reihe Veranstaltungen um sich, welche als Rahmenprogramm nach wie vor großen Anklang in der Bevölkerung und beim Fachpublikum finden. Erinnert sei nur an den Auftritt der Original Don-Kosaken in der Kirche „Zum Friedefürsten“ oder das russische Quartett „Ural“, das 1996 begeisterten Befall erhielt. 2001 begeisterte der Franzose Richard Galliano mit seinem Jazz-Trio. 2009 jazzte der Amerikaner Frank Marokko in der Aula am Amtsberg; außerdem gab er Meisterkurse.

Der Wettbewerb war einst eine Veranstaltung der Stadt Klingenthal, heute wird er vom Förderverein Internationale Akkordeonwettbewerbe Klingenthal e. V. durchgeführt und erhält Förderung u. a. durch den Freistaat Sachsen, den Kulturraum Vogtland Zwickau, den Vogtlandkreis, die Stadt Klingenthal und zahlreiche Sponsoren aus der Wirtschaft. 1998 bildete sich zudem auf Anregung von Elsbeth Moser der Freundeskreis Internationaler Akkordeonwettbewerb Klingenthal.

Seit 2004 entsteht jedes Jahr von den Preisträgern des Internationalen Akkordeonwettbewerbs Klingenthal eine CD. Die Aufnahmen besorgt Tobias Morgenstern. Die CDs sind beim Förderverein Internationale Akkordeonwettbewerbe erhältlich.
> Internationaler Akkordeonwettbewerb Klingenthal

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